Keine Angst vor der Kamera – Warum du dich endlich zeigen musst, wenn du mit Worten die Welt verändern willst
Die Kamera war schlimmer als jede Bühne dieser Welt.
Weißt du warum?
Weil die Kamera nicht vergisst.
Die Kamera lacht nicht höflich.
Die Kamera klatscht nicht aus Mitleid.
Die Kamera ist ein gnadenloser Zeuge deiner Existenz – und sie speichert jeden verdammten Pixel davon auf irgendwelchen Servern, wo Fremde dich ansehen können. Immer wieder. Für immer.
Die Kamera ist der Ex, der Screenshots macht.
Und ich hasste sie.
Aber hier ist die brutale Wahrheit, die niemand dir sagt:
Wenn du dich nicht vor der Kamera zeigst, existierst du nicht.
Nicht wirklich.
Nicht in dieser Welt.
Nicht als Künstler.
Nicht als Slammer.
Nicht als jemand, der mit Worten etwas bewegen will.
Du bist dann nur ein Geist mit Talent.
Ein Niemand mit guten Texten.

Eine verschwendete Stimme in einem leeren Raum.
Und das ist das Ding: Ich weiß, dass du das weißt.
Ich weiß, dass du nachts auf Instagram scrollst und diese selbstbewussten Creator siehst, die scheinbar mühelos in die Kamera lächeln, ihre Gedichte performen, ihre Messages verbreiten – während du da sitzt mit deinem unfertigen Text, deiner perfekten Idee, deinem unglaublichen Talent.
Und denkst: "Morgen."
- "Nächste Woche."
- "Wenn ich besser aussehe."
- "Wenn ich einen besseren Text habe."
- "Wenn ich weniger Angst habe."
Spoiler: Der Tag kommt nie.
Er kommt nicht, weil du auf etwas wartest, das nicht existiert.
Du wartest auf den Moment, in dem die Angst verschwindet.
Aber die Angst verschwindet nicht.
Sie wird nur kleiner.
Oder du wirst größer.
Das ist der Unterschied.
Warum Jim Carrey die Kamera mehr hasste als du – und trotzdem Millionär wurde
Kennst du die Geschichte von Jim Carrey?
Natürlich kennst du sie. Jeder kennt sie.
Aber hier ist die Version, die niemand erzählt:
Jim Carrey war so arm, dass er mit seiner Familie in einem VW-Bus lebte. Er war 15. Sein Vater hatte den Job verloren. Sie parkten nachts auf verschiedenen Parkplätzen, um nicht erwischt zu werden.
Tagsüber ging Jim zur Schule.
Und jeden Tag stand er vor dem Spiegel in der Schultoilette und übte Grimassen.
Stundenlang.

Weil er wusste: Wenn er es schaffen wollte, musste er sich zeigen.
Nicht als der arme Kid aus dem VW-Bus. Sondern als jemand, der so absurd, so verrückt, so unvergesslich war, dass niemand mehr auf seine Herkunft achtete.
Die Kamera war seine Waffe.
Nicht sein Feind. Er nutzte sie, um eine neue Identität zu erschaffen.
Eine Identität, die so laut war, dass sie sein echtes Ich überschrie.
Und hier kommt der kranke Teil:
Er hasste es.
Jahre später, in Interviews, erzählte Carrey, dass er unter Depressionen litt. Dass die Masken, die er trug, ihn fast umgebracht haben. Dass er irgendwann nicht mehr wusste, wer er wirklich war.
Aber weißt du was?
Er tat es trotzdem.
Weil die Alternative schlimmer war.
Die Alternative war: unsichtbar bleiben.
Und Unsichtbarkeit ist die langsamste Form des Selbstmords.
Du stirbst nicht.
Du verschwindest nur.
Stück für Stück.
Bis niemand mehr merkt, dass du weg bist.
Eine kurze Verschnaufpause

Ich kann mir vorstellen, das war schon richtig krass.
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Wenn du ausgeruht bist, geht es direkt weiter...
Hol dir noch etwas zu Trinken..
und dann kann es weitergehen.
Die Wahrheit über deine Angst (die du nicht hören willst)
Lass mich dir was sagen, das du wahrscheinlich schon weißt, aber nicht akzeptieren willst:
Deine Angst vor der Kamera ist nicht rational.
Sie ist evolutionär.
Dein Gehirn ist verdrahtet, um dich vor sozialer Ausgrenzung zu schützen. Vor 10.000 Jahren bedeutete Ausgrenzung Tod. Wenn die Gruppe dich nicht mochte, warst du Löwenfutter.
Heute bedeutet Ausgrenzung... einen schlechten Kommentar auf YouTube.
Aber dein Gehirn weiß das nicht.
Für dein Gehirn ist jedes Video, das du hochlädst, ein potenzieller Todesurteil.
- Deshalb schweißt du.
- Deshalb zittert deine Stimme.
- Deshalb sieht du aus wie ein Reh im Scheinwerferlicht, wenn die rote Aufnahme-LED angeht.

Aber hier ist das Ding:
- Du kannst dein Gehirn nicht überlisten.
- Du kannst dich nicht "rationalisieren" aus der Angst raus.
- Du kannst nicht einfach denken: "Ach, ist ja nur eine Kamera" – und plötzlich ist die Angst weg.
So funktioniert das nicht.
Angst ist wie ein aggressiver Hund.
Du kannst ihm nicht erklären, dass er friedlich sein soll.
Du musst ihn trainieren.
Immer wieder.
Bis er dir gehorcht.
Nicht weil er dich liebt.
Sondern weil er gelernt hat, dass du der Boss bist.
Jeder gibt dir die gleichen, beschissenen Ratschläge.
Sie meinen es gut.
Aber gute Absichten pflastern den Weg zur Hölle.
Und in dieser Hölle sitzt du gerade, starrst auf dein Handy und hasst dich selbst.
Lass uns mit den drei größten Lügen aufräumen.
Lüge 1: "Sei einfach du selbst"
Das ist der dümmste, gefährlichste und faulste Ratschlag aller Zeiten.
Welches "Selbst" denn?
Das Selbst, das morgens mit verklebten Augen ins Bad stolpert? Das Selbst, das im Supermarkt an der Kasse ungeduldig wird? Das Selbst, das nachts weinend im Bett liegt? Das Selbst, das auf der Bühne zum Gott wird?

Es gibt nicht "das eine Selbst".
Du bist ein Mosaik. Ein Chaos. Ein wunderschönes, widersprüchliches Durcheinander.
"Sei einfach du selbst" ist eine leere Phrase, die dir die ganze Verantwortung aufbürdet. Wenn es nicht klappt, bist du schuld. Dein "Selbst" ist anscheinend nicht gut genug.
Der Comedian Bo Burnham hat mit seinem Meisterwerk "Inside" ein ganzes Special darüber gemacht.
Er hat sich allein in einem Raum eingeschlossen und die Performance von Authentizität seziert. Er zeigt, wie künstlich der Akt des "Echtseins" vor einer Kamera ist. Jeder Blick, jede Pause, jedes Lachen ist eine Entscheidung. Eine Performance.
Authentizität ist nicht das Gegenteil von Performance.
Authentizität ist die beste Performance.
Du musst nicht "du selbst" sein. Du musst eine Version von dir erschaffen, die vor der Kamera funktioniert. Eine Version, die wahrhaftig ist, aber nicht identisch mit der Person, die gerade diesen Text liest. Wir kommen später darauf zurück. Sehr ausführlich.
Lüge 2: "Niemand achtet auf dich"
Das soll dich beruhigen.
"Die Leute sind alle mit sich selbst beschäftigt. Niemand schaut so genau hin."
Das ist nicht nur eine Lüge.
Es ist eine Beleidigung.

Du willst doch, dass sie hinschauen! Du willst doch, dass sie zuhören! Du willst doch, dass sie von deinen Worten getroffen werden!
Du machst das doch nicht, damit es niemand sieht.
Du machst das, weil du gesehen werden willst.
Und ja, sie achten auf dich. Sie achten auf jedes Wort. Auf jede Geste. Auf jeden Zitterer in deiner Stimme.
Aber nicht, um dich zu verurteilen.
Sondern, um sich selbst in dir zu erkennen.
Wenn deine Stimme zittert, denken sie nicht: "Was für ein Schwächling."
Sie denken: "Wow, das kenne ich. Das ist echt."
Deine vermeintlichen Schwächen sind deine größten Stärken. Deine Risse sind der Ort, an dem das Licht hereinkommt, wie Leonard Cohen sang.
Die Angst ist nicht, dass niemand auf dich achtet.
Die Angst ist, dass sie auf dich achten und etwas sehen, das du selbst nicht sehen willst.
Lüge 3: "Übung macht den Meister"
Ja, aber nur, wenn du das Richtige übst.
Wenn du 10.000 Mal übst, mit dem Hammer auf deinen Daumen zu schlagen, wirst du nicht zum Meister-Handwerker. Du wirst zum Meister im Daumen-Zertrümmern.
Wenn du 47 Mal versuchst, "du selbst" zu sein und 47 Mal scheiterst, was übst du dann?

Du übst das Scheitern.
Du übst den Selbsthass.
Du trainierst dein Gehirn darauf, die Kamera mit Scham, Angst und Versagen zu verknüpfen. Du erschaffst eine Trauma-Schleife.
Jedes gelöschte Video ist eine Bestätigung für dein inneres Arschloch, das dir ins Ohr flüstert: "Siehst du? Ich hab's dir ja gesagt. Du kannst es nicht."
Du musst nicht mehr üben.
Du musst anders üben.
Du musst die Regeln ändern. Das Spiel neu erfinden.
Und genau das werden wir tun.
Der Tipp: "Die Fremde-Person-Technik"

Was ist das?
Die Fremde-Person-Technik ist keine esoterische Selbstfindungsreise. Es ist keine positive Affirmation. Es ist kein "Denk dich glücklich"-Bullshit.
Es ist eine kognitive Waffe.
- Ein psychologischer Kurzschluss.
- Ein brutal effektiver Hack, um dein eigenes, überkritisches Arschloch von Gehirn auszutricksen.
Die Technik basiert auf einem einfachen Prinzip: Du kannst dich selbst nicht objektiv beurteilen, aber du kannst einen Fremden beurteilen.
Dein Gehirn ist darauf programmiert, dich selbst zu schützen und zu bewerten. Dieser Prozess ist untrennbar mit deinem Ego, deinen Ängsten, deinen Traumata und deinem Selbstwertgefühl verbunden.
Wenn du dich selbst auf einem Video siehst, ist es, als würde dein schlimmster Feind (der zufällig in deinem Kopf wohnt) die Regie übernehmen. Er hat eine Checkliste des Grauens und findet jeden einzelnen Fehler.
Die Fremde-Person-Technik reißt ihm diese Checkliste aus der Hand.
Indem du bewusst eine psychologische Distanz zwischen dir (dem Beobachter) und der Person auf dem Bildschirm (der Figur) schaffst, schaltest du den emotionalen, bewertenden Teil deines Gehirns aus und aktivierst den analytischen, problemlösenden Teil.
- Du hörst auf, dich persönlich angegriffen zu fühlen.
- Du fängst an, ein Problem zu lösen.
- Die Person auf dem Bildschirm ist nicht mehr "Ich".
- Sie ist eine Figur. Ein Projekt. Ein Avatar.
- Und du bist der Regisseur. Der Coach. Der Mentor.
Du bist nicht mehr der Angeklagte auf der Anklagebank. Du bist der Richter, der Anwalt und der Gerichtsreporter in einer Person.
Und die Person auf dem Bildschirm ist nur ein Fall, den es zu bearbeiten gilt.
Das ist keine Selbsttäuschung.
Es ist eine strategische Strategie. (ist mir leider kein besseres Wort eingefallen)
Schauspieler machen das ständig.
Sie schlüpfen in Rollen, die nichts mit ihnen zu tun haben.
Christian Bale hungerte sich für "The Machinist" fast zu Tode und wurde dann für "Batman" zum Muskelpaket. Glaubst du, er dachte die ganze Zeit: "Ich, Christian, bin jetzt ein Skelett"? Nein. Er dachte: "Die Figur Trevor Reznik ist ein Skelett." Das schützt die eigene Psyche. Es schafft eine professionelle Distanz, die Höchstleistungen erst ermöglicht.
Und genau diese professionelle Distanz zu dir selbst wirst du jetzt lernen.
Wie funktioniert es? (Schritt für Schritt)
Dies ist keine schnelle Lösung. Es ist ein Training. Ein Prozess. Aber wenn du ihn durchziehst, wirst du nie wieder ein Video von dir löschen.
Versprochen.
Schritt 1: Die Trennung
Das ist der wichtigste und schwierigste Schritt. Du musst eine klare, unmissverständliche Linie zwischen "Ich" und "der Figur" ziehen.
Wie es geht:
Nimm ein kurzes Video auf. 30 Sekunden. Sag irgendwas. Stell dich vor. Erzähl einen Witz. Völlig egal. Nimm es einfach auf.
Schau es dir NICHT an. Noch nicht.
Gib der Person im Video einen Namen. Einen richtigen Namen. Nicht "mein Kamera-Ich". Nicht "mein Avatar".
Einen Namen, der nichts mit dir zu tun hat. Am besten einen, den du ein bisschen bescheuert findest. Günther. Kevin. Chantalle. Detlef. Es hilft, wenn der Name eine leichte Distanz schafft.
Schreibe diesen Satz auf einen Zettel: "Ich bin [Dein Name]. Die Person auf dem Video ist [Name der Figur]."
Lies diesen Satz laut vor. Fünfmal.
Jetzt schau dir das Video an. Aber mit einer Mission. Deine Mission ist nicht, dich zu bewerten. Deine Mission ist, [Name der Figur] zu beobachten. Du bist ein Wissenschaftler. Ein Detektiv. Du sammelst Daten.
Mach dir Notizen. Aber sprich nicht von "ich". Sprich von der Figur.
Falsch: "Meine Stimme ist zu hoch."
- Richtig: "Günthers Stimme ist in den hohen Frequenzen sehr präsent."
Falsch: "Ich sehe nervös aus."
- Richtig: "Chantalle blinzelt sehr häufig und ihre Schultern sind angespannt."
Falsch: "Ich hasse mein Lächeln."
- Richtig: "Detlefs Lächeln ist asymmetrisch."
Fühlst du den Unterschied?
Der erste Satz ist ein Urteil über dich selbst. Er tut weh.
Der zweite Satz ist eine neutrale Beobachtung über eine dritte Person. Es ist nur eine Information. Ein Datenpunkt.
Poetry Slam Anwendung:
Auf der Bühne bist du oft im Flow.Du bist eins mit dem Text. Das ist großartig. Aber vor der Kamera musst du lernen, diesen Flow zu reproduzieren, nicht nur zu erleben.
Deine Figur, nennen wir sie "Der Slammer", ist nicht im Flow. "Der Slammer" spielt den Flow. Er ist ein Schauspieler, der eine Rolle spielt. Die Rolle eines Slammers, der im Flow ist. Das gibt dir die Freiheit, den Flow zu gestalten, zu übertreiben, zu perfektionieren. Du bist nicht mehr Sklave des Gefühls. Du bist der Meister der Performance.
Konkrete Übung (Die Detlef-Analyse):
- 1.Nimm deinen Lieblings-Slam-Text.
- 2.Stell dich vor die Kamera und performe die erste Strophe. Nur die erste.
- 3.Gib der Figur einen Namen. Sagen wir, Detlef.
- 4.Schau dir das Video an und fülle folgenden Zettel aus:
•Was macht Detlefs Körper? (Hände, Haltung, Blickrichtung)
•Was macht Detlefs Stimme? (Lautstärke, Tempo, Melodie)
•Was macht Detlefs Gesicht? (Mimik, Augen, Mund)
•Welches Gefühl vermittelt Detlef? (Unsicherheit, Wut, Freude?)
•Was ist der interessanteste Moment in Detlefs Performance?
•Was ist der langweiligste Moment?
- 5.Schreibe am Ende auf den Zettel: "Gute Arbeit, Detlef. Für den nächsten Versuch hätte ich gerne mehr..." (z.B. "...mehr Pausen", "...einen direkteren Blick in die Kamera", "...eine aggressivere Betonung bei Wort X").
Du hast gerade Feedback gegeben. Ohne Selbsthass. Ohne Drama.
Du hast gerade Regie geführt.
•Du bewertest statt zu beschreiben. Achte auf deine Wortwahl. "Schlecht" ist eine Bewertung. "Leise" ist eine Beschreibung. "Langweilig" ist eine Bewertung. "Monoton" ist eine Beschreibung.
Schritt 2: Die Persona erschaffen

Okay, du hast dich getrennt. Du bist jetzt der Regisseur. Deine Figur ist der Schauspieler.
Aber wer zum Teufel ist dieser Schauspieler?
Bis jetzt ist er nur ein Name. Ein leeres Gefäß.
Jetzt füllen wir ihn mit Leben. Wir erschaffen eine Persona.
Was ist eine Persona?
Eine Persona ist eine bewusst gestaltete Version von dir für einen bestimmten Zweck. Sie ist eine Maske. Aber keine, die dich versteckt. Sondern eine, die dich befreit.
David Bowie war nicht David Bowie auf der Bühne. Er war Ziggy Stardust. Ein androgyner Alien-Rockstar. Diese Persona gab ihm die Freiheit, Dinge zu tun, die der schüchterne David Robert Jones aus Brixton niemals gewagt hätte. Er sagte selbst: "Ich konnte nicht mit dem Schreiben aufhören. Es war so einfach. Weil es für Ziggy war, nicht für mich."
Lady Gaga ist nicht nur Stefani Germanotta. Sie ist ein wandelndes Kunstwerk. Ihre extremen Outfits und Performances sind nicht nur Show. Sie sind eine Rüstung und ein Werkzeug. Sie erlauben ihr, ihre tiefsten Unsicherheiten und Traumata in Kunst zu verwandeln, ohne daran zu zerbrechen.
Poetry Slam Anwendung:
Jeder gute Slammer hat eine Bühnen-Persona. Ob bewusst oder unbewusst.
Denk an deine Lieblings-Slammer.
- Da gibt es den wütenden Propheten, der die Wahrheit schreit.
- Den selbstironischen Nerd, der seine Schwächen feiert.
- Die geheimnisvolle Poetin, die mit leisen Worten Welten erschafft.
- Den rotzfrechen Comedian, dem nichts heilig ist.
Das sind alles Personas. Konzentrierte, überzeichnete Versionen von Aspekten, die auch im echten Menschen vorhanden sind. Es geht nicht darum, ein Lügner zu sein. Es geht darum, ein Verstärker zu sein.
Deine Kamera-Persona ist deine Bühnen-Persona. Nur ohne Bühne.
Konkrete Übung (Der Persona-Baukasten):
- Nimm dir ein Blatt Papier und beantworte diese Fragen für deine Figur (Günther, Chantalle, Detlef...). Sei kreativ. Übertreibe. Hab Spaß.
- 1.Der Name: Haben wir schon. Aber sag ihn nochmal. [Name der Figur].
- 2.Der Beruf: Was macht deine Figur, wenn sie nicht vor der Kamera steht? (z.B. "Ex-Geheimagent, der jetzt Katzen-Content macht", "Philosoph, der in einer Dönerbude arbeitet", "Zeitreisende aus dem Jahr 2077").
- 3.Das Markenzeichen: Was ist das eine, auffällige Ding an ihr? (z.B. "Trägt immer eine Sonnenbrille, auch nachts", "Hat einen seltsamen, unkontrollierbaren Tick", "Beginnt jeden Satz mit 'Fakt ist...'", "Hat einen leichten, aber undefinierbaren Akzent").
- 4.Die Superkraft: Was kann sie besser als jeder andere? (z.B. "Kann Lügen riechen", "Kann komplexe Sachverhalte in 3-Wort-Sätzen erklären", "Kann jeden zum Weinen bringen, indem sie aus dem Telefonbuch vorliest").
- 5.Die Kryptonit-Schwäche: Was ist ihre größte, irrationale Angst? (z.B. "Angst vor Eichhörnchen", "Panik bei dem Geräusch von Styropor", "Verliert alle Kräfte, wenn sie das Wort 'eigentlich' hört").
- 6.Das Lebensmotto: Welcher Satz steht auf ihrem Grabstein? (z.B. "Ich hab's euch doch gesagt", "Wenigstens hab ich's versucht", "Hier liegt Günther. Er war okay.").
Du hast gerade einen Charakter erschaffen.
Einen Charakter mit Tiefe. Mit Ecken und Kanten.
Schritt 3: Die Distanz halten
Du hast eine Figur. Sie hat einen Namen, einen Beruf, eine Superkraft.
Jetzt kommt der schwierigste Teil für dein Ego: Du musst diese Distanz halten.
Immer.
Das bedeutet:
Was auch immer vor der Kamera passiert, es passiert nicht dir. Es passiert deiner Figur.
Wenn du dich versprichst: Nicht du hast dich versprochen. Günther hat einen Knoten in der Zunge.

Das ist interessant.
Vielleicht ist das Teil seines Charakters? Vielleicht wird er immer nervös, wenn er über Eichhörnchen redet?
Wenn du den Faden verlierst:
Nicht du hast den Faden verloren. Chantalle hat gerade eine Vision aus der Zukunft erhalten und ist kurz abgelenkt. Spannend. Was hat sie gesehen?
Wenn du kritisiert wirst: Wenn jemand ein Video von dir kommentiert und schreibt "Du bist scheiße", dann meint er nicht dich. Er meint Detlef. Und Detlef, der zeitreisende Philosoph, zuckt nur mit den Schultern und sagt: "Die Primitiven im 21. Jahrhundert verstehen meine Genialität einfach nicht."
Distanz ist Freiheit.
Sie ist das Schutzschild, das es dir erlaubt, Risiken einzugehen.
Comedians leben davon. Wenn ein Witz von Ricky Gervais auf der Bühne bombardiert wird, scheitert nicht Ricky Gervais, der Mensch.

Es scheitert die Bühnen-Persona "Ricky Gervais", der arrogante, besserwisserische Provokateur. Und diese Persona kann damit umgehen. Sie kann den Misserfolg nehmen und ihn in noch mehr Comedy verwandeln. Sie kann zum Publikum sagen: "Wow. Das war
Poetry Slam Anwendung:
Das ist das A und O im Poetry Slam. Der Autor ist nicht der Text. Wiederhole das. Der Autor ist nicht der Text.
- Du kannst einen Text über einen Mord schreiben, ohne ein Mörder zu sein.
- Du kannst einen Text aus der Sicht eines Vergewaltigers schreiben, ohne einer zu sein.
- Du kannst einen Text über deine tiefste, dunkelste Scham schreiben, ohne diese Scham in diesem Moment auf der Bühne zu sein.
Du bist der Vorleser. Der Performer. Der Schauspieler.
Dein Text ist das Skript.
Wenn das Publikum deinen Text hasst, hasst es nicht dich. Es hasst das Skript. Oder es hasst die Performance. Das sind alles lösbare Probleme. Das sind handwerkliche Probleme.
Wenn du diese Distanz nicht hast, wird jeder negative Kommentar, jeder ausbleibende Applaus zu einem persönlichen Angriff.
Zu einer Bestätigung deiner tiefsten Angst: "Ich bin nicht gut genug."
Mit Distanz wird es zu:
"Okay, das Skript funktioniert noch nicht. Oder die Performance war unklar. Lass uns das Problem beheben."
Konkrete Übung (Die Schutzschild-Meditation):
Bevor du das nächste Mal aufnimmst, mach diese Übung.
- 1.Schließe die Augen.
- 2.Stell dir vor, wie du deine Persona (Günther, Chantalle, Detlef...) wie einen Mantel anziehst. Spüre, wie er sich um dich legt.
- 3.Stell dir vor, dieser Mantel ist ein energetisches Schutzschild. Alle Kritik, aller Selbstzweifel, alle Angst prallt daran ab.
- 4.Sag laut: "Ich bin [Dein Name]. Ich bin der Regisseur. Auf der Bühne steht jetzt [Name der Figur]. Was auch immer passiert, es passiert ihm/ihr. Ich bin sicher."
- 5.Öffne die Augen. Drück auf Aufnahme.
Rotzfreche Beispiele für Distanz:
•Dein Text ist super traurig und du musst fast weinen? Perfekt. Detlef ist ein sehr emotionaler Charakter. Lass ihn weinen. Das ist großartiges Schauspiel. Du, der Regisseur, kannst das beobachten und dir Notizen machen: "Detlefs Fähigkeit zu weinen ist sehr überzeugend. Nächstes Mal vielleicht etwas weniger Rotz."
Werbung in eigener Sache (aber mit Wucht):
Wenn du diese Techniken nicht nur lesen,
sondern anwenden willst wie ein Sniper mit Reimwaffe:

- Über 200 kranke Slam-Hacks
- Storystrukturen wie ein Fitzek-Krimi
- Übungen für Albtraum-Einstiege, Trauma-Texte, Schweige-Pausen
- Provokations-Templates
- Authentizitäts-Trigger
Keine süßen Sprüche.
Nur brutale, ehrliche Texte,
die das Publikum seelisch ohrfeigen.
